Von Ronja Vogel und Maike Banaski
Heute vor 34 Jahren starb Ferdinand Kramer im Alter von 87 Jahren. Er hinterlässt ein beeindruckendes Erbe, welches nicht nur aus architektur- und designgeschichtlicher Sicht bedeutend ist.
Ein Aufschrei ging durch die Frankfurter Gesellschaft und Presse als Ferdinand Kramer nach dem Zweiten Weltkrieg im Rahmen der Neugestaltung der Universität das neobarocke Portal des Unihauptgebäudes (Jügelhaus) abreißen ließ und es durch einen schlichten rechteckigen Eingang ersetzte, der deutlich mehr Raum und Licht schuf. Die Stadt hat es dem „Barbaren“-Architekten zu Lebzeiten nicht gerade leichtgemacht.[1]
Der am 22. Januar 1898 in Frankfurt geborene Karl August Ferdinand Kramer studierte nach dem Ersten Weltkrieg 1919 am Bauhaus in Weimar und an der Technischen Hochschule in München. Anschließend kam er als selbstständiger Architekt nach Frankfurt, wo er zwischen 1925 bis 1930 im Hochbauamt der Stadt Frankfurt für Ernst May tätig war und in der Abteilung für die Typisierung kombinierbarer Möbel an den Planungen für das Neue Frankfurt aufstieg. Ebenfalls entwickelte er Stühle und Schränke für die Firma Thonet. Nachdem die Entwicklung von Siedlungsbauten im Programm Neues Frankfurt der zwanziger Jahre erzwungen zu Ende ging, entwickelte er moderne Industrie- und Gebrauchsgegenstände wie etwa Lampen, Kochtöpfe, Öfen und arbeitete wieder als freier Architekt.[2] Nach einer Ausstellung, in der Kramers Arbeiten als „Entartete Architektur“ bezeichnet wurden, erteilte ihm der Präsident der Reichskammer für bildende Künste im September 1937 ein Berufsverbot. 1938 folgte Kramer seiner damaligen, jüdischen Frau ins amerikanische Exil und war dort an der Entwicklung moderner Verkaufseinrichtungen für große Warenhäuser erfolgreich tätig.
Erst auf Bitten Max Horkheimers, dem damaligen Rektor der Universität Frankfurt, kehrte er 1952 in seine Heimat zurück und wurde dort als Architekt für den Aufbau der zum Großteil zerstörten Universität verantwortlich. Bei den Planungen der Institutsbauten ging Kramer vor allem von funktionalen Überlegungen aus und versuchte optimale und an die Bedürfnisse ausgerichtete Lösungen für die jeweiligen Institute zu finden.[3] Bei den Frankfurter Universitätsbauten wandte Kramer den Stahlskelettbau an und ließ am Philosophicum das Betonskelett nach außen als ein sichtbares Formelement bestehen.[4] Seine Bauten sind nicht nur eine Fortsetzung der Tradition der Zwanziger Jahre, sondern stehen im architektonischen Zusammenhang der in den USA weiterentwickelten Moderne und dem Bebauungsplan nach amerikanischer Campus-Architektur. Bis 1964 realisierten er und sein junges Team 23 Gebäude für die Universität.
So wurden seine Arbeiten zunehmend zu Bedeutungsträgern einer für die Universität neuen Zeit, wobei er sich aber nie von seinem Grundprinzip der Zweckmäßigkeit und sachlichen Gestaltung trennte. Kramer hat sich auch im fortgeschrittenen Alter noch mit der postmodernen Architektur auseinandergesetzt. In einem unveröffentlichten Manuskript aus dem Jahre 1981, sagt er:
„Grotesk aber scheint mir die Situation heute zu sein; in der im Verhältnis zur Weimarer Republik schwer reichen Bundesrepublik herrscht wiederum Wohnungsnot, und dramatisch zeichnen sich weltweit Energie- und Ökologie-Krisen, Hungersnot in der 3. Welt, politische und wirtschaftliche Spannungen ab […] Wo bleibt unsere heutige, die Jugend überzeugende Avantgarde, die eine für unser Überleben notwendige Neuerung, eine Umwertung der Werte in ihrer Architektur verwirklicht?“[5]
Das Frankfurter Universitätsarchiv besitzt die größte öffentliche Sammlung von Kramer-Möbeln, die zu den Öffnungszeiten besichtigt werden kann.
[1] Vgl. o.A.: „Pionier der klaren Form. Ausstellung über den Architekten Ferdinand Kramer“, in: Frankfurter Rundschau, September 1991, Nr. 208.
Vgl. Wurm, Fabian: Schöne Grüße vom Barbaren, in: AZ, 16.11.1985. Vgl. Rahms, Helene: Ferdinand Kramers Frankfurter Universitätsbauten, in: Ferdinand Kramer – Architektur & Design. Ausstellung im Bauhaus-Archiv Museum für Gestaltung Berlin, S. 25.
[2] Vgl. Sammelband zum Studierendenprojekt „Vom Auditorengebäude zum Campus Bockenheim“ in Zusammenarbeit des Kunsthistorischen Instituts und des Universitätsarchivs der Goethe Universität Frankfurt am Main, S.62 ff.
[3] Vgl. Hansen, Astrid: Die Frankfurter Universitätsbauten Ferdinand Kramers. Überlegungen zum Hochschulbau der 50er Jahre, Weimar 2001.
[4] Vgl. Kramer, Ferdinand: Eröffnungsrede zum Seminargebäude der Universität Frankfurt, in: Bauwelt 15 (1961), S.427-432.
[5] Zit. nach Lichtenstein: Einführung, in: Ferdinand Kramer. Der Charme des Systematischen, Gießen 1991, S. 10.