Als die Universität Frankfurt zum Wintersemester 1914/1915 erstmals ihren Lehrbetrieb aufnahm, befand sich das Deutsche Reich schon seit über zwei Monaten im Krieg. Zuvor hatte Wilhelm II. ausgerechnet am 1. August, dem Tag der deutschen Mobilmachung, als preußischer König die Universitätssatzung unterzeichnet. Während der Anfangsjahre waren zahlreiche Frankfurter Studenten als Soldaten an den Kriegsfronten stationiert. Manche konnten sich überhaupt nur „vom Felde“ aus an der Universität einschreiben, in der Hoffnung, sie nach dem Kriegsende besuchen zu können. Mindestens 197 Studenten fielen dem Krieg zum Opfer.
Zum Andenken an die gefallenen Universitätsangehörigen plante die Universität bereits während des Ersten Weltkrieges eine „Ehrentafel“ zu errichten. Mit der Aufstellung zweier Gedenktafeln in der Adickeshalle des Jügelhauses sollte sie im Jahr 1925 wie viele andere Institutionen in Deutschland einen Ort schaffen, der an ihre gefallenen Mitglieder gemeinsam erinnerte. Das kollektive Gedenken spiegelte jedoch ebenso die politischen Konflikte wider, die nach der Kriegsniederlage und dem Untergang der Monarchie zwischen Vernunftrepublikanern und Gegnern der neuen Staatsform ausgefochten wurden. Öffentliche Erinnerung an Gefallene in dieser Zeit diente daher auch dazu, das gegenwärtige und künftige Kollektiv zu bestimmen, was die individuellen Schicksale der Verstorbenen zusätzlich überlagerte. Erhaltene Dokumente zu Gedenkveranstaltungen an der Frankfurter Universität zeigen, wie universitäre und staatliche Repräsentanten die Gefallenen nach dem Krieg in ein nationales Kollektiv einrahmten.
Am 30. Mai 1919 richtete die Universität Frankfurt in der Paulskirche die erste offizielle Trauerfeier für ihre gefallenen Mitglieder aus. Der Honorarprofessor und reformierte Pfarrer Erich Foerster hielt hierbei eine Rede, in der er im Namen der Universität gegenüber den Angehörigen seine Trauer über ihren Verlust aussprach. In der nationalgeschichtlich bedeutenden Kirche entwarf er jedoch darüber hinaus auch einen Ausblick auf die Zukunft der Nation insgesamt. Mit seiner Ansprache versuchte Foerster, dem mit der Niederlage verbundenen nationalen Sinnverlust entgegenzuwirken.
Nach seiner persönlichen Trauerbekundung bezog Foerster das Sterben eines Einzelnen auf den Niedergang einer Nation. Laut Foerster war im Gegensatz zum Tod eines Menschen dieser Niedergang abwendbar, solange nur die Überlebenden weiterhin dem Erhalt des Ganzen dienten. Obwohl Foerster zugleich davor warnte, Völker als ewige Gebilde zu betrachten, trat in seiner Rede damit das „Todesschicksal“ des Einzelnen hinter dem Kollektiv zurück. Die einzelnen Gefallenen erschienen für Foerster nach ihrem Tod durch ihre gemeinsame Enttäuschung geeint, wodurch die Überlebenden wiederum auf die Nation verpflichtet würden. Um die Desillusion zu überwinden, appellierte Foerster vor dem universitären Publikum im Hauptteil seiner Rede anstelle von militärischen Mitteln an Künste und Wissenschaften. Anschließend wandte sich Foerster nochmals den Gefallenen zu und bekundete seine Hoffnung, dass diese den Überlebenden nun versöhnlicher als zuvor gegenüberstehen mögen.
Foersters Rede deutete bereits kurz nach dem Krieg die ambivalente Rolle an, die das Gefallenengedenken in der Weimarer Republik einnehmen sollte. Nicht zufällig fand die erste Gedenkfeier für die Gefallenen nach Aufstellung der Ehrentafeln am 18. Januar 1926 zusammen mit der Reichsgründungsfeier statt, zu der Foerster erneut eine Ansprache hielt. Zwei Monate zuvor hatte Reichspräsident von Hindenburg anlässlich seines Besuches in Frankfurt am 13. November „in dankbarer Erinnerung an Deutschlands gefallene Söhne, im festen Glauben an Deutschlands Zukunft, deutsche Einigkeit und deutsche Treue“ die Tafeln eingeweiht. Hindenburg, als ehemaliger Generalfeldmarschall mindestens ebenso Repräsentant der alten wie der neuen politischen Ordnung, schien die Widersprüche des Gefallenengedenkens zur Zeit der Weimarer Republik in seiner Person zu vereinen. Rückblickend auf diesen Besuch beschrieb Foerster in seiner Rede zur Reichsgründungsfeier Hindenburg als „Mann […], der wie kein Zweiter vorbildliche Vaterlandsliebe lebendig verkörpert“ und bekräftigte erneut dessen Weihspruch. Den Hauptteil seiner Rede nutzte Foerster als Theologe, um anlässlich der Reichsgründungsfeier über einen gemeinsamen „Deutschen Glauben“ zu referieren.
Foerster hatte sich während des Weltkrieges relativ früh von der Kriegsbegeisterung vieler seiner Zeitgenossen abgewandt. Die auch nach dem Krieg beschworene Stimmung vom August 1914 charakterisierte er in seiner Rede zur Reichsgründungsfeier 1926 gar als rückwärtsgewandtes „Aufleben eines Atavismus.“ Entgegen weiter Teile der protestantischen Pfarrerschaft hegte er unmittelbar nach der Novemberrevolution 1918 kein Misstrauen gegenüber der Demokratie, sondern trat stattdessen kurz darauf für ein Jahr in die Deutsche Demokratische Partei ein. Gerade aufgrund Foersters liberaler Einstellung veranschaulichen seine Reden zum Gefallenengedenken jedoch die Konflikte in der Universität. Gegründet auf den Stiftungsgeist Frankfurter Bürger war sie in ihren Anfangsjahren gleichermaßen „königliche Universität“ und von Beginn an unfreiwillig mit dem Kriegsgeschehen verbunden. Der Gefallenen als Mitgliedern von Universität und Nation zu gedenken, bedeutete daher auch, sich die politischen Folgen der Niederlage für beide Kollektive öffentlich bewusst zu machen. Die dabei entstandenen Widersprüche zwischen vergangenem und gegenwärtigem Gemeinwesen konnte auch Foerster in seinen Gedenkreden nicht auflösen.