Das Universitätsarchiv Frankfurt (UAF) trauert um Maria Dessauer, die am 22. Januar 2021 in ihrer Wohnung in Sachsenhausen ermordet wurde. Sie wurde 100 Jahre alt.
Maria Dessauer hatte in den Jahren 1974 bis 1983 beim Suhrkamp Verlag als Lektorin gearbeitet und Werke von Marguerite Duras, Colette, George Sand sowie Lewis Carroll und Gustave Flaubert ins Deutsche übersetzt. Daneben war sie als Herausgeberin und Romanautorin tätig.
Zum UAF besaß Maria Dessauer eine besondere Beziehung. Im Herbst 2013 schenkte sie dem Universitätsarchiv zwei Bronzebüsten für die Kunstsammlung. Die Schenkung der beiden Kunstwerke war dank Vermittlung von Dr. phil. Anne Hardy zustande gekommen.
Die beiden Büsten zeigen in realistischer Manier Friedrich und Maria Dessauer, die Eltern der Schenkerin. Die beiden in Frontalansicht ausgeführten Halbbüsten sitzen jeweils auf einem Marmorsockel mit quadratischem Grundriss. Alexandra König charakterisierte die Büsten als eine besonders intime Darstellung der Eheleute. Auf Wunsch des Künstlers Heinz Rosenberg hatte Friedrich Dessauer die Büsten von sich und seiner Frau im Jahre 1931 anfertigen lassen. Unter den vier Arbeiten, die Rosenberg mit ins Exil nahm, befand sich auch ein Abguss der Büste Maria Dessauers, da Rosenberg diese als besonders gelungen empfand.
Friedrich Dessauer war zu Lebzeiten als Radiologe und Physiker berühmt. Er hatte sein Leben der Erforschung radioaktiver Strahlung und der damit zusammenhängenden Medizintechnik gewidmet. Der Alumnus der Universität Frankfurt hatte eine Fabrik zur Herstellung von Röntgenapparaten und anderen medizinischen Geräten gegründet und leitete das Instituts für physikalische Grundlagen der Medizin. Von 1924 bis 1933 gehörte er dem Reichstag an und war Beisitzer im Reichsvorstand der Zentrumspartei. Als Mitbegründer der Rhein-Mainischen Volkszeitung warnte Dessauer schon früh vor dem Nationalsozialismus.
Maria Dessauer wünschte sich, dass die Büsten ihrer Eltern immer zusammenstehen sollen. Das Universitätsarchiv präsentierte in der von Enrico Dunkel kuratierten Ausstellung „Kunstkammer – Wunderkammer“ 2014 die beiden Bronzen erstmals der Öffentlichkeit. Heute stehen die Kunstwerke im Empfang des Universitätsarchivs beisammen und erinnern so auch an die Schenkerin Maria Dessauer.
Michael Maaser
Abbildung: © UAF 2021 – Die Abbildung ist beim UAF als Postkarte erhältlich.
Literatur: Kunstkammer – Wunderkammer. Die Kunstsammlung der Goethe-Universität. Eine Ausstellung des Universitätsarchivs Frankfurt vom 7. Mai bis 18. Juni 2014 in Dante 9. Kurator Enrico Dunkel. Texte Alexandra König u.a. Frankfurt a.M. 2014